By Eurohoops team/ info@eurohoops.net
Der ehemalige Spieler und aktuelle Geschäftsführer des FC Bayern München Marko Pesic sprach auf der vereinseigenen Website über zahlreiche Themen wie etwa die Zukunftspläne oder auch Transfers, sowie Abgänge.Die beiden bisherigen zwei Teile (Teil 1, Teil 2) sind verfügbar.
Wie auf fcb-basketball.de zu lesen ist :
Marko, während eines Spiels kaust Du 20 Kaugummis und trinkst Wasser, selbst wenn Du nicht durstig bist – alles zur Beruhigung. Wie viele Packungen und wie viele Liter waren in diesem Sommer beim entscheidenden Meisterduell mit Alba Berlin fällig?
Marko Pesic: Vier bis fünf Halbliterflaschen waren es sicher, die Kaugummis habe ich nicht gezählt. Als ich meinen Job hier angetreten habe, hat mich Uli Hoeneß gefragt, warum ich nicht auf der Bank sitze. Ich sagte: „Kann ich schon machen, aber da mache ich mehr kaputt, als ich helfe.“ Nein, ich bin da einfach zu unruhig.
Double 2018, Meisterschaft 2019 – ist der FCBB die neue Kraft im deutschen Basketball?
Wahrscheinlich ist das jetzt eine dumme Antwort: Das interessiert mich weniger. Mich interessiert, was wir auf die Beine stellen. Wir haben die Entwicklung in unserer Hand. Alle Türen, die sich uns öffnen, haben wir selbst aufgestoßen. Sind wir die neue große Kraft im deutschen Basketball? Aktuell ja. Werden wir es bleiben? Das ist unser Ziel, eine Verpflichtung. Wir haben ein sehr junges Team hinter den Kulissen, das diese Abteilung so aufbaut, damit sie langfristig Erfolg haben kann. Erfolg darf sich dabei nicht allein über das Ergebnis auf dem Spielfeld definieren.
Die Fußballer wurden sieben Mal in Serie Meister. Nerven eigentlich Fragen wie: Ist das auch im Basketball drin?
Nein, wir sind Teil dieses großen Vereins und dürfen da nicht genervt sein. Auch wir haben unsere Ansprüche, und die sind beim FC Bayern die höchsten. Man darf nur nie vergessen, dass wir noch keine so lange Historie wie unsere Fußballer haben. Wir entwickeln uns, wir entwickeln uns schnell. Von unseren Fußballern können wir unglaublich viel lernen, in allen Belangen. Allein schon auf dem Platz: Mir kommt das immer zu kurz, wenn die Leute nicht registrieren, was für eine enorme mentale Leistung das ist, in jedem Spiel der Gejagte zu sein und dennoch am Ende immer oben zu stehen.
Ein Jahr ohne Titel wäre bei den Fußballern ein schlechtes. Und im Basketball?
Der entscheidende Punkt ist, dass man nicht eine ganze Entwicklung in Frage stellt, wenn man mal ohne Titel dasteht. Ich gehe davon aus, dass wir jedes Jahr Titel gewinnen – ich bin seit meiner Kindheit Wettkämpfer, ich muss so denken. Aber Garantien gibt es natürlich nie.
Uli Hoeneß wünscht sich die Qualifikation für die Top 8 in der Euroleague.
Ich stimme unserem Präsidenten grundsätzlich zu, dass wir das anpeilen müssen. Aber operativ ist das eine Mammutaufgabe. Meine Vision ist, dass wir auf absehbare Zeit die Basketball-Hauptstadt von Europa sind. Der Verein hat alle Möglichkeiten: Sportlich können wir enorm viel bieten, dazu beste Rahmenbedingungen. München ist eine herrliche Stadt, im Herzen Europas. Hier entwickelt sich eine Basketball-Kultur, das registriert die internationale Szene schon jetzt, und das wird sich weiter herumsprechen. Vor dem dritten Finale hatten wir mehr als 20.000 Ticket-Anfragen. Die packenden Siege gegen Fenerbahce Istanbul oder den FC Barcelona waren eine unglaubliche Werbung. Und ich bin sicher: Wir werden eine europäische Spitzenmannschaft.
Also in die Playoffs schon nächste Saison?
Ob das schon nächstes Jahr sein muss, weiß ich nicht. Das kann man nicht garantieren, wenn man sich auch mal die spektakulären Transfers anschaut, die allein bis jetzt in der EuroLeague schon über die Bühne gegangen sind. Was ich aber garantieren kann, ist, dass wir hier im Verein das Maximum herausholen werden. Und wenn es dann ein, zwei Jahre länger dauert, ist das okay. Es muss einfach nachhaltig sein. Jordi Bertomeu, der Chef der Euroleague, hat neulich gesagt, dass die anderen Vereine nach München schauen sollten, weil hier so vorbildlich an Strukturen gearbeitet werde. Für mich ist so eine Aussage ähnlich viel wert wie ein Titel.
2021 kommt die neue Halle – muss man bis spätestens dann ein internationales Schwergewicht sein?
Es ist unsere Aufgabe, dass die Leute Basketball bis dahin noch mehr angenommen haben – und dass wir den Erwartungen, die wir selbst geschürt haben, gerecht werden. Dabei wird der Audi Dome aber unser Wohnzimmer bleiben, in dem wir immer gerne spielen. Ihn geben wir die nächsten zehn Jahre nicht auf. Für Highlights gehen wir dann in den SAP Garden. Das wird unser Festsaal.
Verstehen die Spieler und ihre Berater eigentlich, dass Sie keine Millionen-Gehälter zahlen, obwohl der FC Bayern im Fußball hohe Summen investiert?
Das müssen sie. Anfangs war es schwer, aber inzwischen ist bekannt, wie wir arbeiten und mit welchen Mitteln. Unsere ehemaligen Spieler sind da Gold wert. Weil sie unsere besten Botschafter sind. Ein Malcolm Delaney oder Tyrese Rice kommen in der Basketball-Welt herum und erzählen über ihre Erfahrungen in München. Das hilft uns sehr. Das Bild, das man vom FC Bayern Basketball erhält, bekommt immer stärkere Konturen.
Womit kann der FC Bayern Basketball punkten?
Es ist kein Zufall, dass sich hier jeder Neuzugang binnen kürzester Zeit zuhause fühlt. Letzte Saison kam Derrick Williams aus der NBA, aus einer anderen Welt, und nach zehn Tagen sagte unser Oldie Alex King zu mir: „Wahnsinn, der fühlt sich, als wäre er schon Jahre hier!“ Nun konnten wir unter anderem Greg Monroe tatsächlich für uns gewinnen, der Derricks Weg sicher mitbekommen hat. Im Sport über Familie zu sprechen, ist oft eine Floskel. Aber bei uns stehen alle zu diesem Projekt, seit es vor gut acht Jahren gestartet wurde – und das überträgt sich auf das Parkett. Unsere Mentalität ist, dass ein Alba Berlin hier nicht nur gegen fünf Spieler spielt, sondern gegen uns alle. Natürlich verlassen uns Spieler aus diversen Gründen, wie jetzt nach drei Jahren ein Devin Booker. Aber jeder hat dabei zumindest einen Kloß im Hals.
Marko, Vereinspräsident Uli Hoeneß ist stolz darauf, dass sich bei den Basketballern die Fluktuation in Grenzen hält. Zuletzt wurden nun doch einige Wechsel kommuniziert, ohnehin sind kurzfristige Verträge wesentlich mehr Praxis als im Fußball. Wie schwer ist es, Kontinuität zu haben?
Marko Pesic: Wir schauen auf die spielerischen Qualitäten, achten aber auch, vielleicht mehr als andere, auf Persönlichkeit und Charakter. Zur Aktualität: Wir formen nun nach der Ausleihe von Robin Amaize und Devin Bookers zugegeben nicht ganz erwartetem Abschied ein Team mit immerhin noch sieben Spielern, die bei uns bleiben, zum Teil das vierte oder gar sechste Jahr. Wobei Paul Zipser ja eigentlich auch noch dazu gehört. Das Wichtigste ist, dass Spieler Empathie für unser Projekt entwickeln. Ohne Empathie gibt es keine Identität und ohne Identität kannst du auch keine Verantwortung tragen. Und Herr Hoeneß hat schon Recht, wenn er auf diese Kontinuität setzt. Wir haben unsere Titel zuletzt nicht gewonnen, weil wir so viel besser sind als die anderen. Sondern weil wir diese Gemeinschaft haben.
Kann man das auch in Zukunft aufrechterhalten, wenn man sich weiter auf Top-Niveau entwickeln möchte?
Es ist immer noch Profisport, also auch Business. Aber das Umfeld in München ist auf jeden Fall besonders. Als ich zum FC Bayern gekommen bin, war ich auf Wohnungssuche. Da klingelte es an meiner Tür: Steffen Hamann stand da und sagte, komm‘ runter, ich bin mit einem Kumpel da, wir helfen dir jetzt bei deiner Suche! Dann gehe ich zu seinem Auto, am Steuer hockt: Bastian Schweinsteiger! Ich kannte ihn zu dem Zeitpunkt noch gar nicht und er meinte, Steffen habe ihm gesagt, ich würde eine Wohnung brauchen, da wolle er mir jetzt helfen. Drei Stunden sind wir durch München gefahren, Schwabing, Gärtnerplatz, überall – und ich dachte immer: Wo ist die versteckte Kamera? Das ist ja schließlich Schweinsteiger hier! Aber dann habe ich gemerkt, dass das die Kultur des FC Bayern ist: Man hilft sich. Und ich habe mir vorgenommen: Wenn Schweinsteiger es vorlebt, muss ich es auch. Und das merken sich die Spieler: Ein Vladimir Lucic hatte zuletzt sehr, sehr gute Angebote. Aber sobald er die Sicherheit von uns hatte, noch drei Jahre bleiben zu können, hat er keine Stunde mehr überlegt. In den Vertragsverhandlungen zeigt sich: Sie wollen, sie glauben fest an unsere Zukunft und an das, was hier aufgebaut wurde und wird.
Einen Paul Zipser oder Maxi Kleber an die NBA zu verlieren, tat weh. Wie kann man Modelle finden, solche jungen Spieler zu halten und zu Identifikationsfiguren aufzubauen?
Unser Ziel ist, irgendwann das gleiche Level wie Real Madrid, der FC Barcelona sowie die großen griechischen und türkischen Vereine zu erreichen. Wobei man immer sagen muss, dass es bei uns im Gegensatz zu anderen Klubs keine Quersubventionierung aus dem Fußball gibt. Wir müssen sehen, dass wir unsere finanziell vielleicht etwas schwächere Position durch andere Aspekte ausgleichen. Wo sind Wettbewerbsvorteile des FC Bayern? Es sind unser Zusammenhalt und Kontinuität. Bei uns kann sich ein guter Spieler zu einem sehr guten entwickeln. Als Paul und Maxi gingen, waren wir noch nicht so weit wie heute. Danilo Barthel hätte jetzt sicher auch in die NBA gehen können. Er ist aber geblieben. Weil er die Möglichkeiten hier erkennt. Die sieht nun auch Paul, auch deswegen ist er nach drei Jahren wieder zurück.
Du selbst hast als Spieler mit 30 mit der Begründung aufgehört: „Alles ging nur noch ums Geldverdienen, dafür spiele ich nicht Basketball.“ Wie ist das jetzt mit der Position als Geschäftsführer zu vereinbaren?
Ich habe noch immer einen differenzierten Blick auf die Dinge. Von klein auf habe ich Basketball gespielt, weil ich aus einer Basketball-Familie komme – es ging mir nie ums Geldverdienen. Da können mich jetzt manche als Romantiker abstempeln, doch es kann mir da keiner das Gegenteil erzählen: Wenn ich nicht liebe, was ich mache, muss ich etwas anderes machen. Unsere Spieler werden immer wieder mal bessere Angebote bekommen, weil man zweifelsohne bei anderen Klubs mehr verdienen kann als bei der Basketball-Abteilung des FC Bayern. Wir sind aber auf einem guten Weg, hier einen Geist zu verankern, dass Geld nicht alles ist. Unser jetziger Mannschaftskern bestärkt mich, dass es funktioniert. Sie haben ungemein Charakter.
Als Uli Hoeneß nicht da war, stockte die Entwicklung. Wie wichtig ist der Präsident?
Seine Bedeutung für den FC Bayern und seine Lebensleistung stehen außer Frage. Zudem hat er nicht nur für unser Projekt, sondern für die gesamte BBL Enormes bewirkt. Zum Beispiel ist er verantwortlich dafür, dass die Liga den Erlös aus den Bewegtbildern an die Vereine ausschüttet. Das ist ein Meilenstein für die Entwicklung der Bundesliga. Aus meiner persönlichen Sicht kann ich folgende Geschichte über ihn erzählen: Vor zwei Jahren lief mein Vertrag aus. Ende Juni fragte Herr Hoeneß, wann wir verlängern, und ich sagte ihm, wir müssen erst umstrukturieren. Als wir alles umgesetzt hatten, fragte er wieder: „Was ist mit deinem Vertrag?“ Ich sagte, der FC Bayern brauche jetzt vielleicht mal jemand anderen. Er meinte: „Nix da! Einfach aufhören gibt es nicht, kommt nicht in Frage!“ Er sagte, wir verlängern um zwei Jahre, danach schauen wir, wie sich alles entwickelt. Ich glaube, ich habe in dieser Situation so einen erfahrenen Mann gebraucht, der hinter mir steht. Wir haben seitdem so viel um- und aufgebaut. Herr Hoeneß hatte schon Recht: Einfach aufhören und gehen, wenn es etwas anzupacken gibt, geht nicht. Ich bin immer froh um seine klaren Worte.
Wo steht der FC Bayern Basketball in fünf Jahren?
Ich hoffe, unsere Grundeinstellung bleibt, wie sie heute ist: In den nächsten fünf Jahren werden wir zu den besten Vereinen in Europa gehören. Sportlich wie organisatorisch.
Du bist sechs Mal als Spieler Meister geworden, als sportlicher Leiter und Geschäftsführer nun dreimal . . .
Mal sehen, mein Vertrag läuft jetzt noch drei Jahre. Mein persönliches Ziel war mal, insgesamt auf zehn Meistertitel zu kommen. Dazu fehlt jetzt noch einer. Aber ich denke nicht, dass ich mich dann zufrieden zurücklehnen kann. Da bin ich nicht der Typ dafür.